Junge Welt vom 27. September 2013

Die Kampagne »Lernen für den Frieden« will den Einfluß der Rüstungsindustrie und des Militärs auf Schulen und Hochschulen zurückdrängen. Ein Gespräch mit Peter Förster

Interview: Michael Schulze von Glaßer

Peter Förster ist in der Kampagne »Lernen für den Frieden« aktiv


Sie sind Mitbegründer der im Juni gestarteten Kampagne »Lernen für den Frieden«. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Es geht um »Lernen für den Frieden« – darum, dass sich an Schulen und Hochschulen alle für eine menschenwürdige und friedliche Entwicklung der Welt bilden können. Dafür sollen die Bildungseinrichtungen strikt zivil ausgerichtet werden; die Einflußnahme von Rüstungsindustrie und Militär auf Schulen und Hochschulen muß beendet werden. Wir treten damit für eine gesellschaftliche Entwicklung ein, die von Aufklärung, Solidarität und der Geltung des Arguments geprägt ist, statt der gewaltsamen Durchsetzung partikularer Interessen. Jeder kann unter www.lernenfuerdenfrieden.de Unterschriftenlisten ausdrucken und sich beteiligen.

Bisher sind nur 2200 Unterschriften zusammen gekommen. Warum nur so wenig?

Immerhin ist schon in einigen Städten gesammelt worden. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, daß viele Menschen die Versuche der Militarisierung von Bildung und Wissenschaft ablehnen, aber unsicher sind, ob es möglich ist, Verbesserungen zu erkämpfen. Wir haben uns bewußt entschieden, daß man nur auf ausgedruckten Listen und nicht online unterschreiben kann, weil wir auf die Gespräche mit den Mitmenschen setzen. Wir wollen sie zum Eingreifen für Frieden und sozialen Fortschritt ermutigen. Die Kampagne ist eine Möglichkeit, entgegen verbreiteter Hetze und Verunmittelbarung im Alltag den Blick zu heben und sich mit den Mitmenschen über die Ursachen der Zumutungen und Möglichkeiten der Verbesserung zu verständigen. Es braucht einen Mentalitätswechsel, jeder kann damit beginnen.

Sind Aktionen geplant, um die Kampagne voranzutreiben?

Die unterschriebenen Listen wollen wir am 5. Dezember der Kultusministerkonferenz in Bonn übergeben. Für diesen Tag planen wir auch eine Kundgebung, um weiter öffentlich aufzuklären. Auf der Homepage werden wir dazu Näheres bekanntgeben. Bis dahin wollen wir mindestens 10000 Unterschriften gesammelt haben. Das ist der Stand der bisherigen Überlegungen; wer weiter informiert werden will, kann sich mit einer E-Mail an lernenfuerdenfrieden@yahoo.de in unseren Newsletter eintragen.

In vielen Schulordnungen der Bundesländer ist eine Erziehung zum Frieden bereits vorgesehen. Gibt es in diesen Ländern keine Unterschriftensammlung?

Unterschriften können in der ganzen Bundesrepublik gesammelt werden, jeder kann unterzeichnen. Als positive Schlussfolgerung aus dem Sieg über den Faschismus ist Frieden auch als Ziel und Aufgabe von Bildung – sogar in Landesverfassungen und im von Deutschland ratifizierten UN-Sozialpakt festgehalten. Uns geht es um die volle Realisierung dieser Ziele: Schulen und Hochschulen haben die Aufgabe der Bildung mündiger Persönlichkeiten, damit alle dazu befähigt werden, eine friedliche Welt zu realisieren.

In vielen Bundesländern wurden dagegen Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr abgeschlossen. Jugendoffizieren wird so ermöglicht, in den Schulen Unterrichtstunden zu halten, Einfluß auf die Ausbildung von Referendaren zu nehmen und so die aktuellen Kriege zu legitimieren und für den „Beruf“ Soldat zu werben. Diese Vereinbarungen müssen aufgekündigt werden. »Friedensbildung« kann nicht von Angehörigen einer kriegsführenden Armee vermittelt werden, in der die Prinzipien von Befehl und Gehorsam maßgebend sind.

Die Kampagne richtet sich sowohl gegen die Militarisierung von Schulen als auch von Universitäten – die Einrichtungen sind organisatorisch sehr unterschiedlich. Müsste die Protestform dann nicht auch unterschiedlich sein?

Nicht nur in Schule und Hochschule, sondern überall ist zu erkennen: Frieden ist Menschheitsinteresse. In seiner aktuellen Verfasstheit ist das gesamte Bildungssystem Teil der Krise: Finanzielle Unterfinanzierung und die Abhängigkeit von externen Geldgebern, Konkurrenz- und Leistungsdruck drängen auf stupide Paukerei und sind für alle Beteiligten extrem aufreibend.

Das muß dringend anders werden. Gerade in den aktuellen Krisenzeiten kommt es darauf an, daß sich alle kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinanderzusetzen und die intellektuellen Bemühungen auf die Lösung der entscheidenden Zivilisationsfragen gerichtet werden:. Die Überwindung soziale Ungleichheit und des zerstörerischen Konkurrenzprinzips, die Verwirklichung einer solidarischen Gesellschaft und die Humanisierung der Lebensverhältnisse. Nur Frieden schafft Frieden.

Mehr Informationen:

www.lernenfuerdenfrieden.de

lernenfuerdenfrieden@yahoo.de

Das Interview erschien in der Jungen Welt am 27. September 2013 in leicht gekürzter und redaktionell überarbeiteter Form.